Zum Inventar des friedvollen Krieges gehört die Fähigkeit, seine Perspektive zu verlagern.
Sokrates hat mir das einmal sehr plastisch veranschaulicht, als ich ihn bei einem harmlosen Spaziergang in den Wäldern rund um Berkeley nach "der Bedeutung des Glücks" fragte. Er warf mir einen Blick zu, dann riss er mir plötzlich den Rucksack von den Schultern und rannte damit fort.
Wer den "Pfad des friedvollen Krieges" gelesen hat, weiß, dass Sokrates sehr schnell laufen konnte - und er war so unberechenbar.
Er konnte alles mögliche mit diesem Rucksack anstellen, ihn vielleicht sogar wegwerfen, nur um mir irgendetwas klar zu machen. Keuchend rannte ich hinter ihm her.
"Verdammt nochmal Sokrates!" schrie ich.
"In diesem Rucksack ist eine Seminararbeit, an der ich wochenlang geschrieben habe. Ich will sie wieder haben!"
Ein paar Sekunden später sah ich, wie aus einem Buch Papiere in alle Himmelsrichtungen flogen.
Offensichtlich verstreute er meine Seminararbeit auf den Hügeln rund um Berkeley!
In panischer Angst stürzte ich mich in das Dickicht. Da saß Sokrates, sammelte ein paar leere Blätter vor Boden auf und grinste von einem Ohr zum anderen.
Er gab mir meinen Rucksack wieder. Alles war unangetastet, auch die Seminararbeit.
Sehr erleichtert und glücklich, meinen Rucksack wieder zu haben, fragte ich ihn:
"Was sollte denn das?"
"Ich nehme dir deinen Rucksack weg, und du regst dich auf.
Ich gebe ihn dir wieder, und du bist glücklich.
Jetzt weißt du, was bedingtes Glück ist", antwortete er.
Dauerhaftes Glück kommt nicht daher, dass wir alles bekommen, was wir wollen,
denn das wird nie der Fall sein.
Wahres Glück kommt vielmehr daher, dass wir alles wollen, was wir bekommen.
[...]
Haben wir die Fähigkeit erlangt, alles, was wir haben, auch zu wollen
(das heißt, es zu akzeptieren und zu genießen),
dann kann uns alles glücklich machen.
Doch alles zu wollen was wir bekommen, ist leichter gesagt als getan.
Es erfordert einen großen Erkenntnissprung, diesen Grundsatz zu befolgen
[...]
Wir können diesen Sprung jederzeit schaffen. Wir müssen dazu nur unsere Perspektive verändern.
Eigentlich ist es ganz einfach.
Wir brauchen nur zwei Regeln zu beherzigen:
1. Rege dich nicht über Kleinigkeiten auf.
2. Alles sind Kleinigkeiten.
Es erfordert natürlich Zeit und Übung, bis wir alles akzeptieren und zu schätzen wissen, was uns begegnet.
Besonders schwierig ist es bei persönlichen Verlusten wie einer Trennung, einem Todesfall einem Unfall oder bei Krankheit und Schmerz.
Wie können wir so etwas wollen?
Ich gebrauche das Wort wollen hier nicht im Sinn von "sich wünschen".
Ich meine damit vielmehr, dass wir alles, was geschieht, aktiv als Teil unseres Wachstums- und Lernprozesses akzeptieren sollen.
[...]
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